// 16. Juni 2019 // Zimbabwe Teil 3
Chilinda District – Chimanimani-Nationalpark
Mein Weg führte mich nun zum Chilinda Rain Forest am Mount Selinda, dem letzten intakten Regenwald im südlichen Afrika. Über eine fürchterliche mit tiefen Schlaglöchern gepflasterte, einspurige Strasse ging es bergan und schliesslich über einen Trail mitten durch den Regenwald zum Forestry Commission Camp. Äste und Schlingpflanzen hingen oft so tief, das ich gerade noch mit Heinrich durchkam ohne zu Säge oder Machete greifen zu müssen. Mit größeren Riggs ist dieser Trail nicht zu befahren. Ich übernachtete in diesem malerischen Camp, umgeben von den Lauten des Waldes. Am nächsten Morgen erkundete ich zu Fuß den Regenwald auf schmalen, kaum sichtbaren Pfaden. Bis zum Big Tree, dem größten Baum Zimbabwes ging es ganz gut, jedoch zum Valley Of Giants gab es kein Durchkommen. Ständig versperrten mir umgestürzte Urwaldriesen den Weg. Ich überkletterte sie und fand auch immer wieder den Pfad, bis ich an eine Stelle kam, an der gleich vier dieser gigantischen Bäume kurz hintereinander den Weg versperrten. Ich schlug mich durch das Gewirr von massigen Stämmen und Ästen, konnte aber den Pfad nicht mehr finden. Hier ohne genaue Ortskenntnis weiterzugehen war zu gefährlich. Das GPS funktionierte nicht unter dem dichten Blätterdach, so dass man schnell die Orientierung verliert und es gibt auch jede Menge Giftschlangen hier, die man ohne Pfad nicht sehen kann. Vipern, Nattern, Kobras, Mambas und in Bachnähe soll es sogar Pythons geben. Nachdem das ein Rundweg sein sollte versuchte ich es von der anderen Seite, aber auch hier gab es nach einer Weile kein durchkommen mehr. Der Pfad war zugewachsen. Das macht aber nichts, denn es war eine prima Wanderung durch diese üppig wuchernde Natur.
Nur etwa 80 Kilometer weiter nördlich befindet sich der Chimanimani NP. Über eine gut ausgebaute Strasse überquert man eine Bergkette um dann ins Tal zum Dorf Chimanimani zu gelangen. Schon auf dem Weg dahin wunderte ich mich über die vielen Bergrutsche, die alle hundert Meter die Strasse weggerissen hatten, die nur notdürftig vom Geröll befreit und befahrbar war. Das ganze Tal war durchfurcht von riesigen Gesteinslawinen und überall waren Zeltdörfer von UNHCR errichtet. Nun war mir klar, dass das die Auswirkungen des Zyklons vom 15. Auf 16.März sind. In meiner Unterkunft, einem ehemals richtig schmucken Backpacker mit Campingplatz, Heaven Mountain Lodge, unterhielt ich mich lange mit dem Caretaker, der mir die Zerstörungen zeigte und mir von dieser schrecklichen Nacht erzählte. Neben der Rezeption, wo einst das Gästehaus stand klaffte ein 5 Meter tiefer Graben. Eine Schlamm- und Gesteinslawine hatte das Haus einfach weggespült. Das noch stehende Gebäude hat er in den letzten Monaten ausgegraben und weitgehend repariert. Es war fast bis zum Dach verschüttet und selbst in den Räumen stand der Schlamm 2 Meter hoch. Es muss ein fürchterliches Desaster für die Leute gewesen sein, als mitten in der Nacht, nach einer Stunde unvorstellbaren Regens die umgebenden Hänge ins Rutschen gerieten, ins Tal stürzten und alles mit sich rissen oder unter sich begruben. Die Menschenwussten nicht, wohin sie sich in Sicherheit bringen sollten, weil überall Lawinen herabkamen. Es gab viele Tote und Verletzte und hunderte ohne Obdach, die alles verloren haben. Manche Körper wurden 50 Kilometer weiter im benachbarten Mozambik gefunden. Dass der Zyklon 500 Kilometer entfernt von Beira, wo es die riesigen Überschwemmungen gab, noch so wütete haben wir aus unseren Medien gar nicht erfahren. Ähnlich wie der Osten Zimbabwes muss es auch den Süden Malawis getroffen haben, wie mir ein befreundeter Bergführer aus Mulanje über FB schrieb. Die amtliche Opferzahl von 1000 scheint mir weit untertrieben, nachdem alleine in der Umgebung von Chimanimani über 50 Leute starben. Tags darauf unternahm ich eine Wanderung zu den Bridal Veil Falls. Der Wasserfall bekam diesen Namen, weil er aussieht wie ein Brautschleier. Auch hier gab es Erdrutsche, aber bei weitem nicht so viele und verheerende, weil es hier noch alten, tiefwurzelnden Baumbestand gibt. Auf den Hängen um Chimanimani wurde alles abgeholzt und nur mit flachwurzelnden Nadelbäumen wieder aufgeforstet. Am Abend hatte ich seit längerem einmal wieder das Bedürfnis ein paar Bier zu trinken und ging in die örtliche Kneipe. Am TV lief das Fussballmatch Zimbabwe gegen Lesotho des Africacups. Ich war natürlich das einzige Weißbrot weit und breit, aber die Gäste hatten keinerlei Berührungsängste und schon bald unterhielten wir uns angeregt und feierten später den Sieg Zimbabwes mit lauter Musik und Tanz. Einige waren Hilfskräfte aus dem 100 Kilometer entfernten Mutare, die seit Monaten ihre Familien nicht gesehen hatten. Alle Menschen die ich traf sind freundlich, lächeln, winken mir im Auto zu und machen trotz der Katastrophe einen sehr lebensfrohen Eindruck. Es ist bewundernswert, wie sie diese Situation meistern. Ich habe großen Respekt vor diesen Leuten !
Nun brach ich in die schroffen Berge des Nationalparks auf. Auf dem Weg sah ich weitere Zerstörungen und musste durch eine Furt zum Basiscamp fahren, weil die Brücke weggerissen war. Hier packte ich meinen Rucksack und erkletterte am nächsten Morgen das Hochplateau. Das war kein Wandern, sondern Bergsteigen, bei dem man ständig auch die Hände braucht um sich hochzuziehen oder abzustützen. An einem Hang am Plateaus, auf ca 1800 Metern Höhe, gibt es eine Berghütte, die von Rangern und der Border Patrol bewohnt wird. Ich durfte davor mein Zelt aufschlagen und wurde von den Soldaten eingeladen, mich zu ihnen ans Feuer zu setzen. Es ist zuerst etwas seltsam, zwischen Uniformierten und lässig angelehnten Kalaschnikows zu sitzen, aber auch hier fühlte ich mich schnell wohl und gut aufgehoben. Sie kochten Sadza, besser bekannt als Mielie Pap, ein Brei aus Maismehl, und luden mich ein mitzuessen. Tatsächlich fühlte ich mich bisher in keinem Land so willkommen wie in Zimbabwe.
Am nächsten Morgen machte ich mich noch bei Nebel um 7.00 Uhr auf, um den höchsten Berg Zimbabwes, den 2436m hohen Mt Binga zu besteigen. Es gibt natürlich keine markierten Wege hier, sondern nur wenig genutzte Trampelpfade. Zuerst versuchte ich es mit der nördlichen Route, kehrte aber nach fast 1,5 Stunden um als ich laut Navi die Grenze zu Mosambik erreichte. Also wieder zurück und die südliche Route. Auch hier stiess ich auf die Grenze. Ich versuchte eine Abzweigung zu finden, die ich glaubte übersehen zu haben und suchte in konzentrischen Kreisen vom Pfad danach, aber es half nichts. Schliesslich gab ich auf, weil der Gipfel, von dem aus man an klaren Tagen den Indischen Ozean sehen kann, sowieso in dichtem Nebel verschwunden war und es sonst zu spät werden würde, um noch zum Basiscamp abzusteigen. Wieder bei der Hütte baute ich mein mittlerweile getrocknetes Zelt ab und kämpfte mich den schweren Steig nach unten. Das war ein hübscher Schlauch ! Die zwei Ranger im Basiscamp machten extra für mich noch Feuer, damit ich heiß duschen konnte. Ich lud sie daraufhin zu mir in Heinrich zu Apfelkuchen ( den ich am Vortag noch gebacken hatte ) und Kaffee ein und wir unterhielten uns bis spät am Abend. Ziemlich gerädert, aber sehr zufrieden und glücklich ging ich schliesslich schlafen.