// 9. März 2020 //
Cartagena – Santa Marta – Ciudad Perdida
Die zweite Woche Schule verlief ähnlich wie die Erste, nur dass ich öfters mal mit netten Leuten unterwegs war und schöne Abende mit interessanten Gesprächen verbrachte. Eine dritte Woche musste es in Cartagena dann aber doch nicht sein. Das gibt die Stadt nicht her und ein bisschen Action brauche ich in einem Urlaub.
Da bot sich dann eine 4-tägige Trekking-Tour durch den Dschungel der Sierra Nevada zur Ciudad Perdida, der „Vergessenen Stadt“ an. Die Busfahrt zum Ausgangsort Santa Marta und zurück, sowie Unterkünfte für die Nächte vor und nach dem Trekk, waren schnell organisiert. Die Tour selber hatte ich bei Wiwa-Tours, eine von Indigenos geführten Agentur, gebucht. Das stellte sich als gute Wahl heraus, weil wir zwei Kogi-Guides dabei hatten, die uns ihre Kultur während der Wanderung erklärten und näher brachten.
Samstag früh um 8.00 Uhr war Treffpunkt und gegen 9.00 Uhr wurde unsere 14-köpfige Gruppe inklusive Rucksäcken in zwei Landcruiser verladen und nach zweistündiger Fahrt gab es erstmal Mittagessen. Dann ging es endlich los. Insgesamt ca 58 Kilometer in 4 Tagen hören sich nach einem Spaziergang an, erweisen sich aber auch für einen erfahrenen Wanderer wie mich als ganz schön anstrengend. Es geht eigentlich immer sehr steil bergauf, oder sehr steil bergab. Ebenerdige Passagen gibt es kaum und hübsch warm und feucht ist es hier auch. Die atemberaubende Berglandschaft mit ihrer fettgrünen Flora entschädigt jedoch für die Quälerei. Große Bäume drohen unter der Last der sie überwuchernden Schling- und Kletterpflanzen zu ersticken, die mächtigen Äste sind von Moosen und Tillandsien besetzt. Dazwischen bemühen sich Palmengewächse und Farne um Licht. Der Weg schlängelt sich immer tiefer in die Sierra Nevada hinein. Am ersten Tag gab es noch einigen Verkehr an Mopeds, danach waren Mulis das bevorzugte Transportmittel der Indios. In der Sierra Nevada gibt es noch 4 verschiedene Stämme (Kogis, Wiwas, Arhuacos und Kankuamos), insgesamt ca 30.000 Personen, deren Zugehörigkeit man durch Unterschiede in der Kleidung erkennen kann. Die Familien der Stämme wohnen häufig weit entfernt voneinander und leben als Selbstversorger von Ackerbau und Viehzucht. Einmal im Monat treffen sie sich jedoch in einem Dorf, ihrem Versammlungsort, wo jede Familie eine weitere Hütte hat, um sich auszutauschen und zu beraten. Geistige und geistliche Oberhäupter der Stämme sind die Mamos. Ihr Wissen, z.B. über Heilpflanzen, Traditionen, Riten, Gesänge, Rechtsprechung etc. erhalten die Mamos ausschließlich per mündlicher Überlieferung durch ihre Vorgänger, da die Indios keine Schrift kennen. Je größer ein Stamm ist, desto mehr Mamos hat er. Unterstützt werden die Mamos durch weitere Amtsträger, die sich z.B. darum kümmern, was passiert ist, wenn eine Familie nicht zur Versammlung gekommen ist.
Die erste Nacht verbrachten wir noch in Betten, die Zweite in Hängematten. Beides eine Challenge. Die Betten waren so kurz, dass meine Füße immer das Moskitonetz berührten und ich entsprechend durch das Netz in Fußsohlen und Zehen gestochen wurde. Das Juckt dann auch kaum beim Laufen …. In der Hängematte zählte ich die Stunden, bis es endlich wieder 5.00 Uhr ist und ich wieder aufstehen konnte. Diese Folterwerkzeuge mögen für kleinere Menschen funktionieren, bei meiner Größe wird man, selbst wenn man diagonal in der Matte liegt, über Nacht zur Banane. Die durchgeschwitzten Klamotten werden bis zum Morgen natürlich nicht trocken und es ist etwas ekelig wieder in die feuchtklamme Hose zu steigen um die letzte Etappe zum Ziel anzutreten. Es ging auf schmalen Pfaden an einem Gebirgsbach entlang, der auch überquert werden musste und schliesslich folgten die 1200 Stufen bis zur Vergessenen Stadt. Die Stufen sind elend steil, unregelmäßig und rutschig. Bereits der Aufstieg ist abenteuerlich, an den Abstieg denkt man lieber noch nicht. Angekommen bei den ersten Ruinen opfern wir in einem kleinen Ritual einige Kokablätter für die Ahnen. Die Anlage ist viel weitläufiger und größer als ich erwartet hatte. Auf Bildern im Netz sieht man immer nur die gleiche Aufnahme. Zeitweise wohnten hier in über 700 terrassenförmig angelegten Hütten bis zu 5000 Menschen! Zentral lagen die beiden großen Versammlungshäuser für Männer und Frauen und ein weiterer großer Bau für Feierlichkeiten. Unsere Führer berichteten uns ausführlich über ihre Lebensweise, die sich über die Jahrhunderte kaum verändert hat und beantworteten auch viele Fragen. Das hier alles wiederzugeben würde allerdings den Rahmen sprengen.
Wir meisterten alle die gefährliche Treppe ohne Blessuren und kamen nach insgesamt ca 5 Stunden in unserem letzten Camp an. Am letzten Tag kamen wir gegen Mittag wieder an unserem Ausgangspunkt an, wo wir noch ein prima Mittagessen bekamen und einige eiskalte Bierchen genossen. Nach zwei Stunden Fahrt waren wir auch wieder in Santa Marta. Ich gönnte mir für diese Nacht ein richtiges Hotelzimmer mit warmer Dusche, Klimaanlage und großem Bett. Nach so einer Tour schätzt man solchen Luxus. Tags darauf fuhr ich schon wieder zurück nach Cartagena, wo ich zum Abschluß noch einen prima Abend mit drei Schweizern verbrachte, die ich auf der Wanderung kennengelernt hatte. Nun verbringe ich ein paar Tage in Deutschland, bevor es weiter nach Paraguay geht.