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// 26.10.2020 Kilimanjaro //

Sa. 17.10.2020

Weil bei dieser achttägigen Tour vier Camps auf ca. 4000m oder höher liegen und im Zelt übernachtet wird, muss man sich genau überlegen, was man mitnimmt. Das Gepäck für den Porter darf maximalm15 Kilogramm wiegen. Dazu kommt der Daypack, den man selber trägt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass man genug Platz für 4 Liter Wasser oder Tee hat. Wenn man der sowieso schon stattlichen Expeditionstruppe von Guide, Koch und vier Trägern (für einen Bergsteiger, ohne Tisch, Stuhl und anderen Firlefanz) nicht noch einen weiteren Porter hinzufügen möchte, muss man manche Klamotten eben zwei- oder dreimal anziehen, auch wenn das etwas ekelig ist. Neben Unterwäsche und T-Shirts braucht man ein paar langärmelige Hemden, mindestens ein dickes Thermoshirt (für den Gipfeltag), einen Fleecepulli, Fleecehose, eine Daunenjacke, eine regenfeste Windstopperjacke, Poncho oder Regenhose und jede Menge Socken. An Socken sollte man nicht sparen. Wenn die feucht sind, gibt es schnell fette Blasen und dann ist der Gipfel in Gefahr. Dazu kommen diverse Kopfbedeckungen wie Buffs, Mütze und Hut, leichte und dicke Handschuhe, Gamaschen, leichte Wanderschuhe, Bergstiefel und Latschen für das Camp, Trekkingstöcke sowie Schlafsack und Matte. Sonnencreme, kleines Erstehilfeset, Magnesiumbrause, Sonnenbrille, Messer, Flickzeug, Kamera, Ersatzakkus und/oder ein Solarpanel. Die Sachen für den Träger verstaut man am besten in einem Seesack aus LKW-Plane anstatt in einem Rucksack, da wird nichts nass und die Last wird sowieso auf dem Kopf transportiert.

Nachdem die Ausrüstung sinnvoll verstaut war genehmigte ich mir noch einen launigen Nachmittag am Hotelpool und anschließend traf ich mich in Moshi noch mit einem deutschen Expat zum Abendessen. Roland ist professioneller Fotograf und lebt großteils in Tansania. Ist immer sehr interessant sich mit solchen Leuten zu unterhalten und auszutauschen.

So. 18.10.2020

Daniel, der Inhaber von www.eastlandadventures.com, holte mich nicht nur pünktlich um 9.00 Uhr ab, sondern kommt persönlich mit auf den Berg. Da ich seit März sein erster Kunde bin (Corona beutelt den Tourismus extrem) hat er Zeit und nachdem er selber als Porter und später als Guide tätig war, hat er einfach Lust mal wieder selber eine Tour mitzugehen. Finde ich spitze! Die Anfahrt dauerte ungefähr zwei Stunden und dann wurden am Nationalpark-Gate erstmal die Lasten der Träger gewogen. Jeder Porter darf maximal 20 Kilogramm tragen und das ging leider nicht auf. Am Ende blieben noch 8 Kilogramm übrig, die nicht mit durften. Natürlich war das ein Teil der Teamverpflegung. Das ging gar nicht, weshalb ich heimlich vier Kilo Maismehl in meinem Tagesgepäck verstaute und der Rest wurde in das Privatgepäck der Crew geschmuggelt. Mittags ging es dann endlich los. Die Lemosho-Route führte bei lauschigen 28 Grad und bewölktem Himmel durch den Regenwald. Die Bäume scheinen mir hier höher als am Mt Meru und sind über und über mit Schlingpflanzen behangen. Wo etwas Licht durch das dichte Blätterdach dringt wachsen übermannshohe Baumfarne. Ein Wald wie aus dem Märchen. Ich bin mir sicher, hier tummeln sich Feen, Schrate, Elfen und andere fabelhafte Wesen. Gezeigt haben sie sich mir nicht, dafür konnte ich einige Colobusaffen erspähen, die uns neugierig aus luftiger Höhe beäugten. Je weiter wir nach oben stiegen, desto niedriger wurden die Bäume, fast busch- oder strauchartig, trotzdem knorrig und mit Moosbärten behangen. Die Farne und Schlingpflanzen wurden weniger, bis gar keine mehr zu sehen waren. Nach vier Stunden erreichten wir das Camp Mit Mkubwa auf 2650 m Höhe. Die Porter, die trotz ihrer schweren Last immer leichtfüßig voraneilen, hatten bereits das Lager aufgebaut und, auf einer Decke in meinem Zelt, alles für das Abendessen vorbereitet. Da stand Kaffeepulver, Tee, Zucker, Milchpulver, Marmelade, Honig, Ketchup und Chillisauce und vor allem heißes Wasser bereit. Sogar an ein Kissen hatte man gedacht. Einer der Träger ist auch mein Stuart. Nachdem ich meine Residenz mit aufblasbarer Matte und Schlafsack eingerichtet hatte brachte er mir in einer Schüssel sogleich warmes Wasser zum Waschen und anschließend frisches Popcorn und Früchte. Gegen 18.00 Uhr gab es dann Abendessen. Erst eine Gemüsesuppe und dann Hähnchen mit Reis und Gemüse. Ich schlang alles in mich hinein, weil mit der Höhe der Appetit nachlässt und ich unbedingt Kohlenhydrate bunkern muss, um für den Gipfel genug Energiereserven zu haben. Sobald ich fertig war kam David, mein Guide, zum Briefing und Messen des Pulses und des Sauerstoffgehaltes im Blut. Das ist wichtig, weil manche Menschen die Höhe sehr schlecht vertragen. David hatte schon Kunden mit beginnendem Lungenödem, die sofort mit purem Sauerstoff beatmet und vom Berg transportiert werden mussten. Sauerstoff sollte für den Notfall bei jeder Expedition dabei sein! Danach blieb mir noch etwas Zeit zu Lesen, bevor ich erwartungsvoll einschlief.

Mo. 19.10.2020

Wenn man das Farmland, das man bei der Anfahrt passiert außer Acht lässt, durchwandert man vier Vegetationszonen bis zum Kibo, dem höchsten Gipfel des Kilimanjaromassivs. Der Kili besteht aus drei Vulkanen, dem Mavenzi, dem Kibo und dem Shira. Aus der urwaldartigen Regenwaldzone stiegen wir heute 1000 Höhenmeter zum Shiraplateau, in der Heide- und Moorlandzone auf. Die zerklüftete, weite Landschaft ist geprägt von den alten Lavaströmen und kantigen Felsformationen. Erstarrte Lava hat dabei aberwitzige Formen mit Türmen und Höhlen gestaltet. Die spärliche Vegetation besteht weitgehend aus buschartigen Hölzern, Moosen und harten Gräsern und die Temperatur fällt merklich auf um die 15 Grad. Diese Etappe ist relativ anstrengend, weil sich die Höhe bereits bemerkbar macht. Die Ersten werden bereits über starke Kopf- und Nackenschmerzen klagen, wenn sie nicht genügend getrunken haben, oder es zu schnell angegangen sind. Hier zahlte sich meine Akklimatisierung am Mt Meru und meine Erfahrung im Höhenbergsteigen aus. Mindestens drei, besser fünf Liter Flüssigkeit pro Tag und pole pole (langsam, langsam) sind der Schlüssel zu einem schmerzfreien Aufstieg in größere Höhen. Im Camp Shira 1, auf 3650m wurde ich wieder bestens von meinem Team versorgt und meine Werte waren auch hervorragend.

Di. 20.10.2020

Heute war entspanntes Wandern angesagt. Es galt nur einen Höhenunterschied von 650 m zu bewältigen. Unser Weg führte mitten über das Shiraplateau, welches den UNESCO-Weltnaturerbestatus besitzt, zum Moir Hut Camp 4200m, am Fuß eines riesigen Lavastroms. Unterwegs rasteten wir am Fishers Point, der seinen Namen einem einheimischen Guide und Bergsteiger verdankt, der am Mt Everest verunglückte. Seine Bergkammeraden haben ihm hier, an seinem Lieblingsort, eine Gedenktafel installiert. Im Camp vollzogen wir das übliche Ritual mit Waschen, Essen, Briefing und Werte messen. Alles prima, lala salama – gute Nacht!

Mi. 21.10.2020

Diese Etappe war schon etwas heftiger als die gestrige. Wir stießen in die karge, felsige Steinwüste vor und erreichten am Mittag den Lavatower auf 4600m. Man merkt nun schon sehr deutlich, dass die Luft dünner wird und achtet genau darauf welchen Pace man geht. Der Lavatower ist nicht nur wegen seiner tollen Aussicht, sowohl auf die eisüberflossene Südwand des Kibo, als auch in das steil abfallende Tal, wichtig, sondern ganz besonders für die Akklimatisierung. Deshalb hatte das Team hier auch ein Zwischencamp errichtet, wo zu Mittag gegessen wurde. Dadurch verbringt man Zeit in großer Höhe. Das Wetter war immer noch bewölkt mit wenigen Sonnenblinzlern und recht frisch war es auch. Um die -5 Grad. Zeit die dünnen Handschuhe auszupacken, die eigentlich eher gegen die intensive Höhensonne gedacht waren. Schon leicht fröstelnd nach der langen Rast stiegen wir zwischen den zackigen Zinnen, auf kurzen Serpentinen, steil bergab in das Barrancotal. Es eröffneten sich faszinierend Ausblicke. Die Sonne vertrieb die Wolken und gab den Blick nach oben frei auf das überzuckerte Massiv. Im schrundigen Tal wachsen Riesenlobelien und ungefähr vier Meter hohe Riesensenecien, Gewächse wie aus einer anderen Zeit. Jurassic Park lässt grüßen. Überhaupt verliert man in dieser Umgebung das Gefühl für Zeit und Raum. Alles ist so weit, gewaltig und groß und dann sind da wieder die kleinen Strohblumen und Moose, die sich hinter den Felsen vor Wind und Wetter ducken und nur ihre Spitzen hervorstrecken um einen Sonnenstrahl extra zu erhaschen. Wenn man genau hinsieht, erspäht man sogar noch so etwas wie eine Maus und ein paar wenige Insektenarten. Faszinierend, wie diese Tiere und Pflanzen sich dieser lebensfeindlichen Umgebung angepasst haben. Bisher hatten wir kaum andere Bergsteiger zu Gesicht bekommen, doch kurz vor dem Lavatower vereinigt sich eine andere Route mit der unsrigen und so sind wir im Barranco Camp nicht mehr alleine. Trotzdem sind es nur fünf oder sechs Teams. Normalerweise ist dieses riesige, für mich schönste, Camp komplett voll mit bis zu tausend Menschen! Spätestens ab hier gleicht der Kilimanjaro normalerweise einem Ameisenhügel. Ich habe die einmalige Gelegenheit diesen schönsten erwanderbaren Berg ohne Besuchermassen zu erleben – Corona sei Dank. Seit meinem ersten Besuch vor ca. 7 Jahren wurde die Toilettensituation in den Camps wesentlich verbessert. Es gibt nun ordentliche Gebäude für die Notdurft. Früher hatte man den Eindruck, dass die Größe der Löcher im Boden der windschiefen Verschläge, direkt proportional, zur Höhe und der Treffsicherheit der Besucher abnahm. Jetzt gibt es zwar richtige Anlagen, von annährend sauber und ohne Brechreiz zu betreten, kann jedoch nicht die Rede sein. Es ist schon bei so wenigen Bergsteigern eine Überwindung das Örtchen aufzusuchen, wie soll das mit mehreren hundert funktionieren? Da ist sie wieder, die Touriabzocke in Tansania. Horrende Park- und Campinggebühren für überaus schwache Leistung. Shame on you, Tansanian Government!

Barranco Camp liegt auf 3960m. Hier wird es nächtens richtig zapfig. Mir war bewusst, dass mein Schlafsack eine Comforttemperatur von 5 Grad hat und so zog ich mir Fleecehose und Pulli vor dem Schlafen an. Reichte aber nicht. Während der Nacht rüstete ich noch um die Daunenjacke auf um gut schlafen zu können.

Do. 22.10.2020

Nach dem, wie immer perfekten Frühstück mit Porridge und Pancakes, starteten wir ungefähr eine Stunde nach allen anderen Gruppen. Das hatte einen guten Grund, denn wir verließen das Tal über die Breakfastwall. Das ist die einzige Stelle auf der gesamten Tour, an welcher man die Treckingstöcke am Rucksack befestigt, um die Hände frei zu haben. Es ist zwar keine große Kletterei, aber Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und möglichst keine allzu große Höhenangst sind von Vorteil. Wer schonmal einen leichten Klettersteig bewältigt hat, kommt hier ohne weiteres durch. Leider haben doch häufig Wanderer Ihre Probleme damit und an dieser Stelle bin ich wieder einmal dankbar für die Professionalität meines Veranstalters www.eastlandadventures.com und seines Teams, dass wir erst später aufgebrochen sind. So konnten wir ohne Stau die Kletterei an der Wand genießen und hatten jede Menge Muße für Faxen und Fotos auf der Route, und auch ganz oben, wo wir einen wunderbaren Blick auf den sonnenbeschienenen Kibo über uns, und auf das Wolkenmeer unter uns hatten. Die unglaublich zähen Porter waren uns längst vorausgeeilt um das nächste Lager vorzubereiten. David, der Guide, Daniel, der „Mountain God“ und ich waren völlig alleine unterwegs auf dieser wunderschönen Strecke. Für mich die landschaftlich und gefühlsmäßig schönste Etappe. Bei strahlendem Sonnenschein ging es auf und ab über Geröllhalden und Felsrücken. In den geschützten Tälern dazwischen beruhigten Lobelien mit konzentrischen, saftigen Blättern in sattem Grün, und stachelige, feingliedrige Disteln das Auge in dieser schroffen Steinwüste. Leider kamen wir schon kurz nach Mittag im Camp Karanga, 3995m an. Ich hätte diesen Weg noch Stunden mit Genuss gehen können. Am Nachmittag noch ein Akklimatisierungsspaziergang 200m nach oben und zurück.

An dieser Stelle möchte ich einmal meinen Respekt und Bewunderung für die Träger ausdrücken. Diese zähen Burschen laufen die gleiche Strecke wie jeder Wanderer, in oft schlechtem Schuhwerk, und zusätzlich ihrer persönlichen Sachen, mit bis zu 20 Kg (es wird im Laufe der Expedition etwas weniger, wegen dem aufgezehrten Proviant), so schnell, dass das Camp schon fast immer steht, wenn wir ankommen. Dabei bin ich ein zügiger Gast, der die Strecken 25% schneller absolviert als in der Regel. Außerdem müssen die Jungs auch noch Wasser von den häufig weit entfernten Bächen holen, Kochen, Abspülen und dabei immer freundlich und hilfsbereit sein. Chapeau an diese Leute – eine tolle Crew!

Fr. 23.10.2020

In dieser Nacht habe ich leider kaum geschlafen. Das Zelt stand so schräg, dass ich ständig von der Matte rutschte und wieder aufwachte. Außerdem war es bitter kalt und ich fror trotz kompletter Montur wie ein Schneider. Ich war froh, als es dämmerte. Wie auch schon in Barranco ist der Sonnenaufgang ein Spektakel, wie es kein Lichttechniker der Welt arrangieren kann. Wenn sich die Sonne über die Wolkendecke und den majestätischen Kegel des Mt Meru schiebt, die rote Glut langsam aber stetig über die Dunkelheit siegt, die ersten kraftvollen Strahlen wie Fächer erstrahlen, und der Kibo trotz eisiger Kälte in warmes Licht getaucht wird, ist man vom tiefsten Seelengrund auf ergriffen. Man ist klein, ganz klein, in dieser grandiosen, rauen Szenerie.

Jetzt wird es Ernst. Aufstieg durch die Steinwüste zum Basiscamp Barafu. Hier gibt es außer vereinzelten Strohblumen im Windschatten der Felsen keinerlei Leben mehr. Eine Landschaft, die für den Film „Herr der Ringe“, als Frodo mit seinem treuen Freund auf einem Felsen, im Inferno der Lavaströme auf Rettung harrte, Pate gestanden haben könnte. Nur daß keine Lava mehr fließt. Steil bergan bis auf 4600m. Zwischen kantigen Felsbrocken werden die Zelte aufgebaut. Die Wolkenfetzen fliegen wie Drachen über und durch das Camp. Das Wetter wechselt wie im Irrenhaus. Gerade noch stechende Hitze, dann eisiger Regen, schneidender Wind und wieder ein Moment Sonne, Nebelschwaden, Graupel. Noch mal 200 Höhenmeter zur Akklimatisierung rauf und wieder runter. Nach dem letzten Briefing Rucksack für den Gipfelsturm packen und versuchen zu schlafen. Meine Werte sind immer noch sehr gut und ich habe keinerlei Anzeichen von Höhenkrankheit. Schlafen fällt dennoch schwer.

Sa. 24.10.2020

In der Nacht ist mir doch tatsächlich der Reißverschluss meines Schlafsacks verreckt. Und wegen dem vielen Trinken, ich habe mir immer mindestens 4,5 Liter reingepresst, musste ich ständig. Das ist jetzt zwar nicht sehr appetitlich, aber ich war froh, meine Pinkelflasche dabei zu haben. Es macht einfach keinen Sinn, sich bei -15 Grad alle Stunden Schuhe anzuziehen und aus dem Zelt zu kriechen. Das wusste ich noch von meinen Aconcagua-Expeditionen. Trotzdem war das keine erholsame Zeit. 0.20 Uhr Wecken, 1.30 Uhr waren wir unterwegs. Die ersten 200 Höhenmeter sind Kraxelei über Felsbrocken und steile Schrägen ( hier gibt es noch ein Exklusivcamp – 118 US Dollar extra, wenn man da schlafen möchte 😉 ), dann geht es in endlosen Serpentinen im Licht der Stirnlampen immer bergan. Vor uns sehen wir ab und zu die Lichter der Teams aus dem Exklusivcamp. Für uns unsichtbar drangen wir in die letzte Zone, das ewige Eis vor. Der Steig ist gesäumt von Toilettenpapier und was dazu gehört. Weil die zunehmende Höhe den Verdauungstrakt aufbläht müssen die Leute ihrem Drang nachgeben und erleichtern sich wo sie gerade sind. Gut, dass der Rückweg nicht die gleiche Strecke ist. Bei Tageslicht will man diese riesige Kloake nicht sehen. Zwischendurch müssen immer wieder felsige Passagen mit hohen Stufen genommen werden. Gegen 5.40 Uhr sieht man die erste Morgenröte, wenn man sich umdreht. Sehr gut, das heißt, dass es ab jetzt wärmer wird. Die Zehen und Finger fühlen sich trotz dicker Socken und Fäustlingen an wie Eisklumpen. Kurzatmig nestelte ich mit klammen Fingern, die mir nicht recht gehorchen wollten, meine Kamera aus dem Rucksack, um ein erstes Foto zu machen. Nur noch 200 Höhenmeter bis Stella Point, dem ersten Gipfel. Diese 200 Meter haben es in sich. Extrem steil geht es auf sandigem Gelände nach oben. Immer schön auf die Atmung achten. Pole pole. Endlich oben! Zum ersten Mal sehe ich die Gletscher des höchsten Berges Afrikas. Bei meiner ersten Besteigung hatten wir nur etwa 10 Meter Sicht und ich war völlig am Ende. Nur noch 100 Höhenmeter auf mäßig ansteigendem Terrain, ungefähr 40 Minuten bis zum zum Uhuru Peak. Die Aussicht ist schon jetzt atemberaubend und der Weg erst recht. Mit Büßereis hatte ich nicht gerechnet. Felder von ungefähr einen Meter hohen Eiszacken müssen überquert werden. Gott sei Dank hatte da schon jemand vorgespurt. Durch dieses Nadelkissen einen Weg zu bahnen hätten wir wahrscheinlich nicht geschafft. War auch so noch sehr anstrengend. Nach 5,5 Stunden Quälerei standen wir auf dem Uhuru (Freiheit) – Peak, dem Dach Afrikas! Wahnsinn! Unbeschreibliches Gefühl! Im Umkreis von über 12.000 Kilometern gibt es keinen höheren Punkt! Wir gratulierten uns gegenseitig und machten die üblichen Gipfelfotos. Viele wurden es nicht, denn meine beiden Akkus waren durch die Kälte im Nu leer. In der Aufregung hatte ich meine stechenden Schulterschmerzen und das leichte Kopfweh ganz vergessen, jetzt kamen sie aber zurück und es wurde Zeit für den Rückweg. Natürlich bestaunte ich das glitzernde Eis, die kalte Weite und den riesigen Krater, aber vor allem wollte ich jetzt schnell wieder nach unten. Der Rückweg war weit. Wir mussten noch 2.800 Meter absteigen. Mit abnehmender Höhe kommt die zweite Luft und wir schlitterten fast wie Skifahrer auf direktem Weg über die Geröllfelder nach unten. Nach 1,5 Stunden waren wir bereits wieder im Basislager Barafu. Hier warteten unsere Porter mit heißem Tee und einer Stärkung auf uns. Kurzes Nickerchen, Zusammenpacken und nochmal drei Stunden steil bergab bis zur Mweka Hut auf 3100 Metern. Das wäre geschafft. Abgesehen von 4 blauschwarzen Zehennägeln keine Verluste und ich fühlte mich erschöpft, aber glücklich und auch ein bisschen Stolz. Auf dem Rückweg hatten wir einige Bergsteiger gesehen, die von ihren Guides mehr getragen wurden, als dass sie selber noch gelaufen wären. Sie hatten sich völlig verausgabt und stolperten nur noch schwankend und wie ferngesteuert, mit glasigen Augen, nach unten. Körperlich vorbereitet oder trainiert war ich diesmal nicht gewesen, dafür aber erfahren genug meine Kräfte einzuteilen, viel zu Trinken und es langsam anzugehen. Kälte, Schmerzen, dünne Luft und daraus folgende Erschöpfung sind nicht durch Training auszuhalten, sondern nur durch Disziplin und positives Denken.

Mweka liegt geschützt im Regenwald und die höheren Temperaturen ermöglichten mir einen hervorragenden Schlaf trotz kaputtem Schlafsack.

So. 25.10.2020

Nach einem letzten liebevoll zubereiteten Frühstück hielt ich eine kleine Rede vor unserem Team und übergab den Jungs gerne ihr hart verdientes Trinkgeld. Das Kilimanjarolied durften sie mir wegen Corona leider nicht, wie sonst üblich, singen. Die letzten 2,5 Stunden bis zum NP Gate, durch den urigen Regenwald, vergingen wie im Flug. Während die Porter bereits das Gepäck verluden gönnte ich mir ein Gipfelbierchen und kurz vor dem Einsteigen stießen wir noch gemeinsam mit Sekt auf unser gemeinsames Abenteuer an. Ich bekam meine offizielle Urkunde und sogar noch eine Kaffeetasse mit meinem Namen darauf. Vielen Dank an Daniel und sein „Team Champion“! Wenn Ihr auch mal auf den Kili wollt, seid Ihr bei dieser Agentur sehr gut aufgehoben. Ein letztes Gruppenfoto und nichts wie zum Hotel. Ich sehnte mich nach einer heißen Dusche!

Bis tief in die Nacht schrieb ich diesen Bericht, bis ich in meinem riesigen, wunderbar weichen und warmen Bett in tiefen Schlaf viel.

2 Replies to “Tansania Teil 4”

  1. Wie geil. Du bist echt grandios. Soo tolle Fotos und es verschlägt einem den Atem beim Betrachten. Reise weiterhin mit Neugierde und Freude durch Afrika.

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